Haptophobie
Angst vor Berührungen
Ich möchte mit Euch über ein Thema sprechen, das mein Leben auf tiefgreifende Weise beeinflusst hat: die Haptophobie, also die Angst vor Berührungen. Sie ist nicht einfach nur eine Angst, sondern ein Zustand, der mich in nahezu jedem Aspekt meines Alltags begleitet. Diese Angst hat ihren Ursprung in einer traumatischen Erfahrung – einer Gewalterfahrung, bei der ich gewürgt wurde. Dieses Ereignis hat nicht nur physische Spuren hinterlassen, sondern vor allem psychische Wunden, die bis heute nicht verheilt sind.
Die Strangulation, die ich erleben musste, war nicht nur ein Angriff auf meinen Körper, sondern auch auf mein Vertrauen in andere Menschen und die Welt um mich herum. Diese Erfahrung hat meinen Umgang mit Berührungen grundlegend verändert. Jede Annäherung, jede noch so kleine Berührung kann eine Flut von Gefühlen auslösen: Angst, Panik und das Bedürfnis, mich zu schützen. Diese Reaktionen sind nicht kontrollierbar; sie sind tief in meinem Unterbewusstsein verankert.
Die alltäglichen Herausforderungen, mit denen ich durch die Haptophobie konfrontiert bin, sind kaum in Worte zu fassen. Stellt Euch vor, Ihr könntet niemandem die Hand geben, niemanden umarmen oder auch nur beiläufig berührt werden, ohne dass Euer Körper Alarm schlägt. Es betrifft aber nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern hat auch gravierende Auswirkungen auf meine medizinische Versorgung. Untersuchungen, Behandlungen oder einfache Routinen wie Blutabnahmen werden zu nahezu unüberwindbaren Hürden. Der Gedanke, mich in die Hände von Ärzten oder Pflegepersonal zu begeben, ist für mich so belastend, dass ich oft lieber auf notwendige medizinische Hilfe verzichte. Dadurch entstehen Risiken, die mein Leben zusätzlich erschweren.
Ein weiterer Aspekt, der oft unterschätzt wird, sind die sozialen und emotionalen Belastungen, die mit der Haptophobie einhergehen. Stellt Euch vor, Ihr müsst immer wieder erklären, warum Ihr Berührungen vermeidet. Oft stoße ich auf Unverständnis oder sogar Spott. Menschen können sich schwer in meine Lage versetzen und interpretieren mein Verhalten oft falsch. Das Gefühl, ausgegrenzt oder nicht ernst genommen zu werden, ist eine ständige Begleiterscheinung.
Was besonders demütigend ist, sind Situationen, in denen ich keine Wahl habe. Sei es bei einem Notfall oder bei zwingend notwendigen Untersuchungen – ich kann mich noch nicht einmal wehren, weil ich auch niemanden berühren kann. Somit fühlt sich jede ungewünschte Berührung wie ein weiterer Angriff, eine Misshandlung, an. Diese Momente erinnern mich schmerzhaft an das, was ich erlebt habe, und machen es umso schwieriger, mit meiner Vergangenheit abzuschließen.
Dennoch möchte ich betonen, dass es möglich ist, trotz Haptophobie Wege zu finden, mit dieser Angst zu leben. Es erfordert viel Verständnis von mir selbst und meiner Umwelt, aber auch Mut, mich diesen Herausforderungen zu stellen. Vieles von dem was mich seit 1993 einschränkt und prägte, findet sich auf meiner Internetpräsenz wieder.
Mein Ziel ist es, aufzuklären und das Bewusstsein für dieses wenig bekannte Thema zu schärfen. Wenn ich meine Erfahrungen teile, hoffe ich, anderen Betroffenen Mut zu machen und das Verständnis in unserer Gesellschaft zu fördern.
Deswegen habe ich mich entschlossen mit dem MDR einen Podcast zu erstellen, den hier abrufbar ist:
Haptophobie ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist die Folge von Erlebnissen, die niemand erleben sollte. Doch indem ich darüber spreche, möchte ich zeigen, dass wir alle die Kraft haben, uns mit unseren Ängsten auseinanderzusetzen – und dass wir dabei niemals allein sein sollten.
Um es plastischer darlegen zu können, ist dieses Dokument hilfreich. Darin beschreibe ich im Rahmen eines Perspektivwechsels die Gegebenheiten und Möglichkeiten; gerichtet an Behandler: